Veterinäramt versagt: Tierschutzorganisation stellt Strafanzeige gegen Verantwortliche nach Undercover-Recherche
Was ist passiert?
Im Februar 2020 hat das Veterinäramt des Landkreises Jerichower Land den Betrieb in Sachsen-Anhalt kontrolliert. Dabei wurden zahlreiche Mängel festgestellt. Unter anderem ein nicht ausreichend tierärztlich versorgtes Schwein sowie Mängel an Bau und Einrichtung, die eine Verletzungsgefahr für die Tiere darstellten. Diese Probleme wurden dem bestandsbetreuenden Tierarzt und zwei Betriebsverantwortlichen lediglich mündlich vom Veterinäramt mitgeteilt und eine Beseitigung der Mängel angeordnet. Eine nachträgliche Kontrolle vor Ort, ob die geforderten Maßnahmen umgesetzt wurden, fand nicht statt.
Unten erfährst du mehr Details zur Kontrolle vom Februar 2020.
Des Weiteren hat das verantwortliche Veterinäramt im Zeitraum 2022 bis Mitte 2024 nach eigener Aussage nicht kontrolliert, ob der Betrieb eine Ausnahmegenehmigung für das schmerzhafte Kupieren von Ferkelschwänzen besaß oder die erforderlichen Voraussetzungen erfüllte.
Im Juni 2024 folgte dann die Veröffentlichung unserer Undercover-Recherche „120 Tage undercover bei einem von Deutschlands größten Schweinezucht-Betrieben“. Vier Monate hat ein verdeckter Ermittler von Animal Equality in dem Betrieb in Kleindemsin gearbeitet und die Zustände dokumentiert. Hunderte Stunden Videomaterial zeigen ein System des Leidens. Ferkel und Mutterschweine werden misshandelt, vernachlässigt und durch illegale Praktiken getötet. Außerdem hat der Ermittler festgehalten, dass der Betrieb routinemäßig Ferkelschwänze verstümmelt. Wir stellten bereits vor der Veröffentlichung der Recherche Strafanzeige gegen den Betrieb – der im Zeitraum unseres Undercover-Einsatzes zur DEMVA GmbH gehörte – und einzelne Mitarbeitende. Das Ermittlungsverfahren läuft.
Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehört der „Schutz des Lebens und Wohlbefindens der Tiere sowie Verhütung von Leiden“ zu den Aufgaben des öffentlichen Veterinärwesens.
Trotz der Feststellung gravierender Mängel im Jahr 2020 ist das Veterinäramt des Landkreises Jerichower Land seiner Pflicht zum Schutz der Tiere nicht nachgekommen. Durch Anordnungen, Auflagen und regelmäßige Kontrollen hätte die Behörde massives Tierleid verhindern müssen. Damit machen sich die zuständigen Personen des Veterinäramts mitverantwortlich für die Zustände, die wir bei unserer Undercover-Recherche aufgedeckt haben. Deshalb haben wir Strafanzeige wegen Tierquälerei unter anderem durch Unterlassen gegen die Verantwortlichen des Veterinäramts erstattet.
Die zuständigen Verantwortlichen des Veterinäramts hätten ihrer Kontrollpflicht nachkommen und damit vermutlich jahrelanges Tierleid verhindern müssen.
Vanessa Raith, Direktorin von Animal Equality Deutschland.
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Mängel und Konsequenzen der Kontrolle 2020:
Mangelhafte Versorgung der Tiere begründet den Verdacht der Tierquälerei durch Unterlassen.
So wurde beispielsweise ein stark lahmendes Schwein in der Gruppenhaltung vorgefunden, welches eine separate tierärztliche Versorgung benötigt hätte. Teils wurden vom Veterinäramt defekte Tränken vorgefunden und es fehlte an Nestbaumaterial in den sogenannten Abferkelbuchten. Außerdem wurden einige Mängel am Bau und der Einrichtung festgestellt, die teilweise eine Verletzungsgefahr für die Tiere darstellten. Diese vom Veterinäramt festgestellten Mängel wurden am Ende der Kontrolle lediglich mündlich dem bestandsbetreuenden Tierarzt und zwei Betriebsverantwortlichen mitgeteilt und eine Beseitigung der Mängel angeordnet. Eine nachträgliche Kontrolle vor Ort, ob die geforderten Maßnahmen umgesetzt wurden, fand nicht statt.
Grundlegende Unterlagen und Sachkundenachweise konnten vom Betrieb nicht vorgelegt werden.
Das aktuelle Bestandsregister und die Personalliste sowie zum Teil Arbeitsanweisungen, Hygienepläne und Schulungsunterlagen konnten vom Betrieb während der Kontrolle nicht vorgelegt werden. Diese wurden erst rund drei Monate später nachgereicht. Dabei konnte lediglich für drei Mitarbeitende der Nachweis über eine „Schulung zur Betäubung und Tötung von Ferkeln bis 5 kg“ vorgelegt werden. Von allen Mitarbeitenden durften also nur diese drei Personen Nottötungen von jungen Ferkeln durchführen. Das Veterinäramt hat diesen Umstand jedoch nicht bemängelt. Dabei wurden zu dem Zeitpunkt insgesamt mehr als 24.000 Schweine in dem Betrieb gehalten. Jedes fünfte in Deutschland in der Fleischindustrie geborene Schwein stirbt noch vor der geplanten Schlachtung – entweder aufgrund der Haltungsbedingungen oder durch Nottötung. Bei unserer Undercover-Recherche Ende 2023 wurden zahlreiche illegale Tötungen durch teils ungeschultes Personal festgehalten. Zu sehen sind dabei auch Tiere, die bei Bewusstsein qualvoll verbluten.
Veterinäramt kommt seiner Kontrollpflicht bezüglich des Schwanzkupierens nicht nach.
Das Kupieren von Ferkelschwänzen ist laut EU-Verordnung nur mit einer Ausnahmegenehmigung erlaubt. Die Notwendigkeit aufgrund von Verletzungen durch gegenseitiges Schwanzbeißen der Tiere muss vom jeweiligen Betrieb nachgewiesen werden. Gleichzeitig müssen Verbesserungsmaßnahmen in der Haltung umgesetzt werden, die Schwanzbeißen verhindern und somit das Kupieren von Ferkelschwänzen hinfällig machen. Mit einem Aktionsplan werden entsprechende Nachweise gefordert. Der Betrieb hat die Tierhaltererklärungen und Risikobeurteilung 2019-2021 sowie einen Maßnahmenplan 2021 vorgelegt. Der zuständige Landkreis hat jedoch keine weiteren Unterlagen angefordert oder die Zustände vor Ort kontrolliert. Ob in dem Betrieb entsprechende Maßnahmen umgesetzt wurden oder die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung vorlagen, ist nicht klar und wurde in den Folgejahren vom zuständigen Veterinäramt nicht überprüft. Bei unserer Undercover-Recherche Ende 2023 wurde die Praxis des routinemäßigen Schwanzkupierens in dem Betrieb jedoch dokumentiert.
Auch die Kastenstände wurden bei der Kontrolle 2020 nicht durch eine Nachmessung auf die vorgeschriebene Größe kontrolliert. Unser Ermittler hat bei seinem Einsatz einige Käfige ausgemessen und festgestellt, dass diese kleiner sind als gesetzlich erlaubt.
Die Aufdeckungen aus unserer Undercover-Recherche bei einem von Deutschlands größten Schweinezucht-Betrieben sind keine Ausnahmen oder Einzelfälle. Zustände wie diese decken wir immer wieder bei unseren Ermittlungen in der Tierindustrie auf. Stelle dich konsequent gegen dieses System des Leidens und entscheide dich für eine tierfreundliche Ernährung. Wir unterstützen dich dabei mit Love Veg. Dort findest du Wissenswertes zur pflanzlichen Ernährung und leckere Rezepte.
Des Weiteren haben wir erfahren, dass bereits im Jahr 2015 gegen Verantwortliche des Betriebes in Kleindemsin Strafanzeige wegen „Hinzufügung von länger anhaltenden erheblichen Leiden und Schmerzen durch unterlassene oder mangelnde Behandlung von verletzten und erkrankten Tieren“ erstattet wurde.
All das beweist, wie grausam und kaputt das System der Tierindustrie ist und unterstreicht den Verdacht, dass die Schweine in dem Betrieb bereits seit Jahren unter tierschutzwidrigen Zuständen leiden und sterben.
Nutze auch du deine Stimme für die Tiere! Unterschreibe unsere Petition, in der wir wirkungsvolle Maßnahmen zur Prävention von Tierschutzverstößen fordern:
Hinweis: Die Informationen haben wir am 12.08. und 26.09.2024 vom Landkreis Jerichower Land nach unserem „Antrag auf Auskünfte nach IZG LSA“ erhalten. Seit Januar 2024 wird der Schweinezucht-Betrieb in Kleindemsin durch ein anderes Unternehmen geführt. Zur Zeit unserer Undercover-Recherche sowie der Kontrolle 2020 durch das Veterinäramt gehörte die Anlage zur DEMVA GmbH.