BUNDESRAT: ENTTÄUSCHENDE ENTSCHEIDUNG ZUM KASTENSTAND
Seit Monaten war es das bestimmende Tierschutzthema, heute hat der Bundesrat dazu abgestimmt: Kastenstände werden zumindest teilweise weiterhin bestehen.
Bisher sollten Kastenstände so beschaffen sein, dass “jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann” (§ 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV). Trotz dieser bestehenden Vorgabe wurden seit 1992 durchgehend rechtswidrig zu enge Kastenstände behördlich genehmigt. Eine Übergangsfrist, die 1988 begonnen und 1992 abgelaufen war, wurde nie beachtet. Stattdessen soll sie jetzt entgegen der Rechtsprechung um weitere 8 bzw. 10 Jahre verlängert werden. Das entspricht einer „Übergangsfrist“ von 39 bzw. 41 Jahren.
Der Bundesrat hat heute beschlossen, dass erst nach einer weiteren Übergangsfrist von bis zu zehn Jahren der Kastenstand rund um die Zwangsschwängerung der Schweine verboten werden soll. Im Zeitraum um die Geburt der Schweinekinder sollen erst nach bis zu 17 Jahren Verbesserungen eintreten: Eine Reduzierung der Fixierung im Kastenstand um wenige Tage. Damit wurden die Tierschutzvorgaben in Deutschland verschlechtert und dieses verfassungs- und tierschutzwidrige Haltungssystem bleibt weiterhin bestehen und wird über Jahre festgeschrieben.
Tierschutz ist Staatsziel, es gilt das Verschlechterungsverbot. Dieser Scheinkompromiss ist damit verfassungswidrig.
Kürzlich erklärte der Deutsche Ethikrat in der Stellungnahme „Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren“, dass der Kastenstand eine „räumliche Enge, die mit Gesundheit und artgerechtem (Sozial-)Verhalten nicht vereinbar ist“.
Nie standen tierquälerische Haltungsbedingungen und die Massentierhaltung an sich mehr in der Kritik der Öffentlichkeit. Immer klarer ist die Rolle der Tierhaltung im Bezug auf die Umwelt – Klimawandel, Grundwasserbelastung –, die öffentliche Gesundheit – Pandemierisiken, Einsatz von Reserveantibiotika – und die verantwortungslose Ausbeutung von Arbeiter*innen in der Fleischindustrie.
Schockierend ist, dass dieser Kompromissvorschlag nur durch Zustimmung der Grünen möglich war. Eine Partei, die sich als Umweltschutz- und Tierschutzpartei präsentieren will. Noch schockierender ist die Tatsache, dass die heutige Entscheidung noch schlimmer ausgefallen wäre, wenn sich nicht Hunderttausende über Monate dagegen eingesetzt hätten.
Nachdem die Pläne von Ministerin Klöckner bzgl. der Neuregelung zur Kastenstand-Haltung bekannt wurden, starteten wir zusammen mit sechs weiteren Tierschutzorganisationen eine Petition mit dem Aufruf, eine Verschlechterung des Status Quo abzulehnen und Kastenstände endlich abzuschaffen. Dieser Forderung von Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Bundesverband Tierschutz e.V., Compassion in World Farming, Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., PROVIEH e.V., VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz und Animal Equality haben sich bereits über eine Viertel Million Menschen angeschlossen. Petitionsübergaben erfolgten an Dr. Dirk Behrendt, Mitglied des Bundesrates und Justizsenator des Landes Berlin, sowie Bündnis 90/Die Grünen-Chef Robert Habeck.
Mit Online-Aktions-Tagen und zwei E-Mail-Protest-Aktionen haben Tausende die Entscheidungsträger*innen über Wochen nachdrücklich wissen lassen, was sie von Kastenständen halten.
Eine laufende Normenkontrollklage zur Schweinehaltung durch das Land Berlin beinhaltet u.a. die Haltung in Kastenständen. Der heute beschlossene Kompromiss läuft Gefahr, durch dieses Normenkontrollverfahren aufgehoben zu werden.
Zukunftsweisende Agrarpolitik geht anders. Erst vergangenen September endete die europaweit größte Bürgerinitiative „End The Cage Age“: Mit über 1.6 Millionen Unterschriften – davon ca. 500.000 allein aus Deutschland – fordern EU-Bürger*innen deutlich ein Ende der Käfighaltung in der Nutztierindustrie. Ende des Jahres 2020 soll die Petition offiziell an die EU-Kommission übergeben werden. Anschließend erwarten wir die formale Antwort der Kommission und die Debatte im Europäischen Parlament.
Wir werden uns weiterhin für eine vollständige Abschaffung der Kastenstand-Haltung einsetzen und halten Sie über unseren Newsletter und in den Sozialen Medien auf dem Laufenden.