BGH-Urteil zu Recherche-Aufnahmen aus Massentierhaltung
Auch wenn der Betrieb in diesem Fall das Zertifikat Bio trug, waren es schockierende Bilder: Legehennen mit eitrigen Entzündungen und ausgemergelten Körpern – gut zu erkennen, weil die Tiere kaum noch Federn am Leib tragen. Dazwischen immer wieder tote Tiere. Der MDR veröffentlichte bereits 2012 diese Aufnahmen der Organisation Animal Rights Watch (ARIWA) aus einem Bio-Eierbetrieb, der zur Erzeugergemeinschaft Fürstenhof GmbH gehört. Der anschließende Rechtsstreit fand heute ein abschließendes Urteil durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe: ein Urteil, das sich für die Pressefreiheit und den investigativen Journalismus, aber auch für das Recht der Konsumenten, die Wahrheit hinter der Nutztierindustrie zu erfahren, und für den Tierschutz ausspricht.
Das Unternehmen Fürstenhof hatte im Anschluss an die Ausstrahlung versucht, gegen die weitere Veröffentlichung der Aufnahmen vorzugehen. Es klagte gegen den MDR auf Unterlassung. Bis zum Oberlandesgericht Hamburg bekam das Unternehmen Recht. Die Aufnahmen waren heimlich erstellt worden und zeigten Zustände, die zum Großteil legal waren. Sie entsprachen weitgehend dem EG-Öko-Recht – trotz des eindeutigen Tierleids.
Auch Bio bedeutet Tierleid
Doch bei der Revisionsverhandlung am Bundesgerichtshof im vergangenen März zeichnete sich bereits ab, dass die heimlich erstellten Aufnahmen aus Nutztierbetrieben nach Einschätzung der Karlsruher Richter gerechtfertigt und notwendig sein können. Schließlich entsprechen die weitestgehend legalen Zustände, wie sie diese Recherche von ARIWA, aber auch von anderen Organisationen regelmäßig aufdeckten und aufdecken, keineswegs der Darstellung von glücklichen Tieren, wie es die Industrie den Verbrauchern durch idyllische Werbeversprechen weiszumachen versucht.
Tierschutz-Aufnahmen entsprechen öffentlichem Interesse
Das heutige Urteil des BGH in Karlsruhe fiel eindeutig aus: Die Bilder aus den Ställen dürfen ausgestrahlt werden; die Veröffentlichung entspricht dem berechtigten „Informationsinteresse der Öffentlichkeit“ und dem „Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit“. Weiterhin teilte der BGH mit, dass die Recherche-Aufnahmen „den Zuschauer zutreffend“ informieren: „Die Filmberichterstattung setzt sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin [Fürstenhof GmbH] herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf.“
Erst im Februar 2018 hatte ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg die Rechtmäßigkeit einer heimlichen Tierschutz-Recherche bestätigt, da nur so die extremen Fälle von Tierquälerei überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt sind und geahndet werden konnten.
„Das ist heute ein guter Tag für die Pressefreiheit“, urteilte ZDF-Rechtsexperte Joachim Pohl. Es ist auch ein guter Tag für die öffentliche Diskussion über Massentierhaltung auf Grundlage ungeschönter Einblicke und Fakten. Und es ist ein guter Tag für den Tierschutz, denn nur durch die Verbreitung von Recherche-Aufnahmen kann die Öffentlichkeit überhaupt erfahren, was sich hinter den hohen Mauern der Tierindustrie abspielt. Auch Animal Equality hatte 2015 mit einer Veröffentlichung sichtbar gemacht, welches Tierleid hinter der vermeintlich idyllischen, tierfreundlichen Produktion von Bio-Eiern steckt.
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