Oberlandesgericht bestätigt Rechtmäßigkeit von Undercover-Recherche
In der Revisionsverhandlung über einen Fall von Hausfriedensbruch im Zusammenhang mit einer Undercover-Recherche ist soeben das Urteil gefallen: Das Oberlandesgericht Naumburg (Sachsen-Anhalt) hat die Revision der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen und sprach die drei Angeklagten erneut frei und bestätigte damit die beiden vorangegangenen Urteile des Amts- und Landgerichts. Animal Rights Watch (ARIWA) hatte im Jahr 2013 schockierendes Bild- und Videomaterial aus der „van Gennip Tierzuchtanlagen GmbH” in Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Die heimlich erstellten Aufnahmen deckten massive Tierquälerei und schwere tierschutzrechtliche Verstöße in einem der größten Schweinezuchtbetriebe Deutschlands auf. Während das Strafverfahren gegen die Betreiber der Anlage Ende 2015 eingestellt wurde, standen drei Ermittlerinnen und Ermittler im September 2016 wegen Hausfriedensbruchs am Amtsgericht Haldensleben vor Gericht.
Die erste Gerichtsverhandlung endete mit einem Freispruch. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Magdeburg Berufung ein. Das Landgericht Magdeburg bestätigte das Urteil des Amtsgerichts jedoch im Oktober 2017. In seiner Begründung sagte der vorsitzende Richter am Landgericht: “Ihr Handeln ist als positiv zu bewerten. […] Sie haben genau das getan, was nötig war und was als mildestes Mittel zur Verfügung stand.” Wenn staatliche Organe ihre Arbeit nicht so machten, wie es sein sollte, sei das Eingreifen der Bürger nötig, so der Richter. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Die Revisionsverhandlung fand heute am Oberlandesgericht Naumburg statt und setzte mit dem erneuten Freispruch der Ermittlerinnen und Ermittler ein historisches Zeichen für den Tierschutz.
Warum Recherchen so wichtig sind
Animal Equality teilt die Meinung von ARIWA im Bezug auf die Notwendigkeit von Undercover-Recherchen: “Aus Sicht von ARIWA ist das Betreten von Anlagen der Tierindustrie zu Dokumentations- und Beweiszwecken gerechtfertigt. Das Recht der Tiere auf physische und psychische Unversehrtheit und auf ein Leben ohne Qual und Bedrängnis überwiegt unseres Erachtens das Hausrecht der Anlagenbetreiber und deren wirtschaftliche Interessen. Ein milderes Mittel, die Öffentlichkeit über die Zustände in den Tierfabriken zu informieren und die Strafverfolgungs- und Veterinärbehörden zum Tätigwerden zu motivieren, ist uns nicht bekannt. Denn häufig werden die Veterinärbehörden erst dann gegen Tierschutzverstöße aktiv, wenn Videomaterial vorliegt und dessen Veröffentlichung für öffentliches Interesse an weiterer Aufklärung sorgt. Wir sehen in der Erstellung und Verbreitung dieser Aufnahmen daher keinen Rechtsverstoß, sondern eine bürgerliche Pflicht.”
Sogenannte Nutztiere erleiden in Mastanlagen und Schlachthäusern unerträgliche Qualen. Ohne das Aufdecken von Tierschutzverstößen würde ihr Leid niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Wir begrüßen das Urteil und hoffen, dass es ein klares Signal sendet: Mitgefühl ist keine Straftat. Tierquälerei muss weiterhin aufgedeckt werden.