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Genome Editing: Was ist das und kann es die Leben von Tieren in der Landwirtschaft verbessern?


Seit Längerem wird an einem Einsatz von gentechnischen Verfahren in der Zucht von landwirtschaftlich genutzten Tieren gearbeitet. Wir erörtern hier die neuste Entwicklung: Genome Editing. Was ist das und warum könnte es gentechnische Methoden in der Tierzucht revolutionieren? Und wie würde sich das auf Tiere in der Landwirtschaft auswirken würde?

Inhaltsverzeichnis

Die klassische Zucht in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zielt darauf ab, gewünschte (genetische) Eigenschaften in Zuchtlinien zu erhalten oder zu verbessern. Dafür werden Tiere mit gewünschten Eigenschaften gezielt miteinander verpaart. Auf diese Weise hat sich sowohl die Milchproduktion von Rindern in der Milchindustrie als auch das maximale Gewicht von Hühnern in der Fleischproduktion in den letzten 100 Jahren fast vervierfacht.

Vor ungefähr 40 Jahren wurden erste „transgene“ Tiere geboren. Aber was sind eigentlich transgene Tiere? Das sind Tiere, denen künstlich Gene anderer Arten eingebracht wurden1. Lange Zeit hatten diese Methoden der „Zucht durch gentechnische Verfahren“ keine große Bedeutung für die landwirtschaftliche Tierzucht. Sie waren zu aufwendig, zu teuer; das Interesse an solchen Tieren war hauptsächlich wissenschaftlich2.

Doch vor nicht allzu langer Zeit wurden die ersten gentechnisch veränderten Tiere in den USA und Japan zugelassen2. Was hat sich geändert?

In diesem Blogpost beschreiben wir, was Genome Editing ist, wie die landwirtschaftliche Tierhaltungsindustrie Genome Editing einsetzen könnte und vor allem, was das für die Tiere in der Landwirtschaft bedeuten würde.

Was ist Genome Editing und wie wird es genutzt?

Genome Editing-Technologien ermöglichen es Wissenschaftler*innen, die DNA eines Organismus, etwa einer Pflanze oder eines Tieres, gezielt zu verändern. Eine neue technologische Entwicklung – CRISPR/Cas genannt – ermöglicht das mit sehr hoher Genauigkeit.

So können Gene ausgeschnitten und bei Bedarf an einer anderen Stelle wieder eingefügt werden. Das ist vergleichbar mit dem Ausschneiden eines Wortes aus einem Satz, das in einen anderen Teil des Dokuments oder in ein neues Dokument eingeführt wird. Deshalb nennt man CRISPR/Cas auch „Gen-Schere“3.

Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, mit dieser Methode gentechnisch veränderte Organismen herzustellen.

Erstens können neu eingebrachte Gene neue Eigenschaft in den transgenen Pflanzen oder Tieren zur Folge haben („transgen“, weil ein Gen übertragen wurde). Das ist, wie oben beschrieben, nichts Neues. CRISPR/Cas jedoch ermöglicht die Entwicklung transgener Organismen jedoch sehr genau, einfach und billig – jedenfalls im Vergleich zu früheren Methoden3,4.

Ein Beispiel für transgene Tiere findet sich in einem der ersten als Lebensmittel zugelassenen gentechnisch veränderten Tiere: einer Lachs-Zuchtlinie in Kanada, in die ein Gen einer anderen Art eingefügt wurde, welches das Wachstum beschleunigt. So können im gleichen Zeitraum doppelt so viele Tiere gehalten, getötet und verkauft werden4. Die Zuchtlinie wurde zwar bereits vor Einführung der CRISPR/Cas-Methode entwickelt (und 2016 zugelassen), CRISPR/Cas vereinfacht solche Entwicklungen aber enorm.

In der zweiten Möglichkeit werden keine Gene übertragen. Denn mit CRISPR/Cas können genauso leicht vorhandene Gene verändert werden. Wenn also verschiedene Varianten eines Gens in einer Zuchtlinie bekannt sind, kann mittels CRISPR/Cas relativ schnell und leicht eine der Varianten in die andere geändert werden. Eine derart präzise Veränderung war vor CRISPR/Cas nicht möglich – die Methode hat die Gentechnik revolutioniert5,6.

Ein Beispiel: Stell dir ein Gen vor, das dafür sorgt, dass das Muskelwachstum gehemmt wird. Wenn jetzt in diesem Gen eine einzelne Mutation auftritt, die diese Hemmung schwächer macht, bildet jedes Tier, das diese Mutation trägt, mehr Muskelmasse. Das ist bei den sogenannten Texel-Schafen so, von denen viele eine solche Mutation tragen, die bei anderen Schafen nicht vorkommt. Mit CRISPR/Cas kann gezielt diese Mutation in andere Schafe eingebracht werden, sodass alle Tiere mehr Muskelmasse bilden7.

Warum ist die Tierhaltungsindustrie an Genome Editing interessiert?

Die beiden Beispiele zeigen, warum das Genome Editing für die landwirtschaftliche Tierhaltungsindustrie von großem Interesse ist. Mehr Wachstum oder mehr Muskelmasse bedeutet mehr Ertrag. 

Einerseits können also von der Tierhaltungsindustrie gewünschte Eigenschaften von einer auf eine andere Tierart übertragen werden – indem das Gen von einem Organismus auf einen anderen übertragen wird und so ein transgenes Tier entsteht. Etwa eine Linie schneller wachsender Lachse.

Andererseits können gezielte Veränderungen im Erbgut einer Tierart vorgenommen werden, die von der Tierhaltungsindustrie gewünschte Eigenschaften zur Folge haben. Etwa eine Linie von Schafen, die mehr Muskelmasse bilden.

Und die Pläne, wie das gezielte Genome Editing in der Tierzucht eingesetzt werden könnte, sind bereits vielfältig. So arbeiten Forschungseinrichtungen und Unternehmen weltweit gerade daran, Rinder gentechnisch so zu verändern, dass sie keine Hörner mehr bilden oder Hühner gentechnisch so zu verändern, dass ihre Eier keine typischen Allergene bilden. Und auch an gentechnisch veränderten Schweinen, die mehr Muskelmasse bilden oder keinen sogenannten „Ebergeruch“ entwickeln, wird aktiv gearbeitet6. Und wozu?

Was bedeutet das Genome Editing für landwirtschaftlich genutzte Tiere?

Verbraucher*innen kennen den Geschmack des Fleisches kastrierter Schweine. Das Fleisch männlicher, erwachsener Tiere, die nicht kastriert wurden, kann aufgrund von Hormonen beim Kochen einen anderen Geruch entwickeln, den sogenannten „Ebergeruch“. In Deutschland dürfen Ferkel seit dem 01.01.2021 nicht mehr ohne Narkose kastriert werden. Das erhöht den Aufwand und damit den Preis der Schweinehaltung. Mittels Genome Editing können Gene männlicher Schweine so verändert werden, dass sie vorpubertär bleiben und nicht kastriert werden müssen2.

Die Hornanlagen von neugeborenen Kälbern dürfen bis zum Alter von sechs Wochen ohne Betäubung entfernt werden. Dabei werden die gerade gebildeten Hornanlagen mit heißen Eisen abgebrannt und „verödet“ – eine schmerzhafte Prozedur. Die Tierhaltungsindustrie führt Enthornung durch, weil die Tiere einander mit ihren Hörnern verletzen können. Wäre es da nicht sinnvoll, hornlose Rinderrassen zu züchten?

Das würde mit herkömmlichen Zuchtmethoden eine sehr lange Zeit brauchen. Die neuen gentechnischen Verfahren könnten diese Zeit stark verkürzen. Es sind sogar tatsächlich schon gentechnisch veränderte Rinder ohne Hörner geboren worden6

Wo liegt nun das Problem, wenn die Genome Editing-Verfahren doch bedeuten können, dass keine Rinder mehr enthornt und keine Ferkel mehr kastriert werden müssen?

Die Beispiele zeigen den Gedanken hinter all diesen Bestrebungen: Durch Genome Editing sollen bei Tieren Eigenschaften geschaffen werden, die dazu führen, dass ihre Produkte zu geringeren Kosten produziert werden können. Die Tiere werden also weiterhin lediglich als Produktionsmittel gesehen, die von Menschen beliebig verändert und genutzt werden dürfen.

Die Nutzung gentechnisch veränderter Tiere würde außerdem nur die Symptome des Leids verdecken, das die Haltungsbedingungen den landwirtschaftlich genutzten Tieren verursachen. Denn die Rinder verletzen einander mit ihren Hörnern nur, weil sie auf zu wenig Platz gehalten werden. Die gentechnische Veränderung zu hornlosen Rassen dient also – genau wie die Enthornung – einzig dem Zweck, mehr Tiere auf weniger Raum halten zu können. Die Verletzungen durch die Hörner sind jedoch nur die offensichtlichsten Probleme der Haltung auf zu engem Raum.

Schnellere Qualzüchtungen durch Genome Editing?

In den vergangenen Jahrzehnten sind vermehrt sogenannte „Qualzüchtungen“ entstanden. Hühner etwa wurden über Jahrzehnten so gezüchtet, dass sie extrem schnell zu einem für die Tiere eigentlich viel zu hohen Gewicht heranwachsen. Dadurch können die meisten nicht mehr schmerzfrei laufen, manche können nicht einmal mehr stehen. Mit maximal 42 Tagen werden sie getötet – da sind sie nicht einmal geschlechtsreif, sondern ausgewachsene Kinder8,9.

Bis zu 26 Tiere leben dann auf einem Quadratmeter und erreichen dabei ein über 4 Mal höheres Gewicht als Hühner noch vor 60 Jahren erreicht haben. Die Gesundheitsauswirkungen sind enorm: viele Millionen Hühner sterben jedes Jahr vorzeitig, durch Herzinfarkte, Organversagen oder weil sie zu schwer sind, sich zu Nahrung und Wasser zu bewegen10.

Das offenbart eine weitere Gefahr, die Genome Editing für Tiere in der Landwirtschaft darstellen kann: In einem Bericht warnte das britische Nuffield Council on Bioethics – eine gemeinnützige Organisation, die sich mit bioethischen Fragen beschäftigt –  im Dezember 2021, dass Genome Editing „einige bestehende unethische Zuchtpraktiken beschleunigen“ könnte11

Mit anderen Worten könnten Qualzüchtungen innerhalb kurzer Zeit entstehen und mehr und mehr auf die Spitze getrieben werden. Genome Editing könnte also gleichzeitig den Trend zu überzüchteten Tieren in der Landwirtschaft (wie schnell wachsende Hühner) massiv beschleunigen und dabei noch die Symptome der Haltungsbedingungen  verdecken, die das Leid dieser Tiere offensichtlich machen (wie hornlose Rinder).

Das Leid der landwirtschaftlich genutzten Tiere würde dadurch noch unsichtbarer werden. Nicht etwa, weil ihre tatsächlichen Lebensbedingungen verbessert wurden, sondern weil ihre Körper an diese Bedingungen angepasst werden. Könnte es also sein, dass das Interesse der Tierhaltungsindustrie an Genome Editing hauptsächlich darin liegt, in einer zunehmend kritischen Bevölkerung eine höhere Akzeptanz für die industrielle Tierhaltung zu erzeugen?

Das Genome Editing kann und wird nichts an der Tatsache ändern, dass Tiere in der Tierhaltungsindustrie als reine „Produkte“ gesehen werden, und das Ziel der Tierhaltungsindustrie darin besteht, mit diesen „Produkten“ Geld zu verdienen. Es kann nur, wenn wir nicht aufpassen, ein noch mächtigeres Werkzeug dieser Industrie werden, um die Bedürfnisse und Interessen von Tieren zu ignorieren.

Gentechnisch veränderte Tiere in Deutschland?

Obwohl Genome Editing nicht zwangsläufig transgene Tiere zur Folge hat, fallen auch auf diese Weise gentechnisch veränderte Tiere unter die geltende Richtlinie für gentechnisch veränderte Organismen. Das hat der Europäische Gerichtshof im Jahr 2018 entschieden12

Neben kostenintensiven und aufwendigen Verfahren zur Zulassung bedeutet das, dass vermarktete Produkte dieser Tiere als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden müssen, was die Akzeptanz bei Verbraucher*innen deutlich reduzieren dürfte2.

Was kannst du tun?

Der beste Weg, Tieren zu helfen und ihnen ein Leben unter den katastrophalen Bedingungen der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu ersparen, bleibt, auf tierische Produkte zu verzichten.

Egal durch welche Methoden: Rinder werden von ihren Kälbern getrennt und gezwungen, unnatürliche Mengen Milch zu produzieren, Hühner werden innerhalb kürzester Zeit so fettgefüttert, dass sie kaum mehr stehen können und Schweinen werden ihre Schwänze abgeschnitten, damit sie sie sich nicht gegenseitig abbeißen.

Es spielt keine Rolle, ob es durch herkömmliche Züchtungsmethoden oder durch Genome Editing geschieht. Die Tierhaltungsindustrie will die Tiere in der Landwirtschaft skrupellos an die belastenden Haltungsbedingungen anpassen, anstatt diese Bedingungen zu verbessern.

Hilf den Tieren und fordere gemeinsam mit uns und Tausenden anderen Tierfreund*innen das Ende der industriellen Tierhaltung:

Bitte unterzeichne unsere Petition und fordere gemeinsam mit uns Unternehmen und Gesetzgebung auf, dringend ihre Unternehmenspolitik zu ändern und Gesetze zu erlassen, die zur Abschaffung der industriellen Tierhaltung führen.

Wir werden deine Unterschrift – zusammen mit allen anderen Unterschriften – an die Bundesregierung überreichen und sie daran erinnern, ihrer selbst zugeschriebenen Vorreiterrolle in Sachen Tierschutz gerecht zu werden. Damit unterstützt du uns, aktiv die Interessen der Tiere zu vertreten und die industrielle Tierhaltung in Deutschland zu beenden.

Quellen:

1https://www.rind-schwein.de/brs-news/tierzucht-warum-genome-editing-besser-als-gentechn.html

2https://www.transgen.de/tiere/670.gentechnik-tieren-stand.html

3https://www.transgen.de/forschung/1545.neue-zuechtungsverfahren-uebersicht.html

4https://www.derstandard.de/story/2000114861225/wozu-forscher-tiere-mit-designer-genen-zuechten

5https://www.hoerspielundfeature.de/schoepfung-mit-der-genschere-die-dna-revolution-100.html

6https://www.transgen.de/tiere/2660.projekte-genome-editing-nutztiere.html

7https://www.transgen.de/blog/2746.texel-schafe-genome-editing-tierzucht.html

8https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/was-du-ueber-das-kurze-leben-eines-haehnchens-wissen-musst/

9https://animalequality.de/kampagnen/haehnchenmast

10https://www.masthuhn-initiative.de/

11https://www.nuffieldbioethics.org/assets/pdfs/Genome-editing-and-farmed-animal-breeding-OVERVIEW-WEB-PDF.pdf

12https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-07/cp180111de.pdf


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