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Frei lebendes Huhn Frei lebendes Huhn

Von der Geflügelzüchterin zur Tierschützerin


Gudrun G., ehemalige Geflügelzüchterin, erzählt im Interview mit Animal Equality ihre eindrucksvolle Geschichte: vom Vertrauen in die industrielle Tierhaltung und von der Erkenntnis über das wahre Leid der Tiere.

Gudrun G. hat einen bemerkenswerten Weg hinter sich – die heute 65-Jährige entwickelte sich von einer leidenschaftlichen Geflügelzüchterin in der DDR zur engagierten Tierschützerin und Unterstützerin von Animal Equality. Ihre berufliche Laufbahn begann in den 1970er-Jahren, als sie eine Ausbildung zur Geflügelzüchterin machte. Später studierte sie an der Humboldt-Universität und wurde Diplom-Agraringenieurin. Sie arbeitete 15 Jahre in der industriellen Geflügelproduktion, überzeugt davon, durch ihre Arbeit einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Doch im Laufe der Jahre wandelte sich ihre Sichtweise grundlegend. In diesem Interview spricht Gudrun über ihre Erfahrungen, den schleichenden Prozess des Umdenkens und die Gründe, warum sie heute für den Tierschutz eintritt.

Animal Equality:

Wie bist du damals zur landwirtschaftlichen Tierhaltung gekommen?

Gudrun:

Als junge Frau habe ich eine Lehre zur Geflügelzüchterin angefangen. Damals hieß das noch Zootechniker/Mechanisator für industrielle Geflügelproduktion. Ich habe mich auf die Broiler-Elterntierhaltung spezialisiert und 15 Jahre in diesem Beruf gearbeitet, von der Brüterei bis zum Schlachthof. Ich habe diesen Beruf unglaublich gern gemacht, weil ich dachte, das stimmt mit Tierliebe überein. Später habe ich an der Humboldt-Universität studiert und bin Diplom-Agraringenieurin geworden mit dem Schwerpunkt Tierproduktion. Damals dachte ich, ich tue etwas Gutes, indem ich die Menschen kostengünstig mit gesundem Fleisch versorge.

Animal Equality:

Wie sah die Geflügelproduktion damals aus?

Gudrun:

Als ich anfing zu lernen, 1975, legte eine Legehenne ungefähr 240 Eier im Jahr. In euren Recherchen kann man sehen, dass die Hühner heute über 300 Eier legen müssen. Die Tiere in der Mast wurden damals nach 42 Tagen geschlachtet und wogen zwischen 1300 und 1500 Gramm. Eine Schnellmast wie heute gab es nicht, wo die Kinder sozusagen mit erwachsenen Körpern sterben [Anmerkung von Animal Equality: Heute erreichen die Hühner nach 42 Tagen ein Endgewicht von 2,8 kg]. Die Zucht war früher noch nicht so extrem. Damals konnten die Tiere bis zum Schluss laufen und an ihre Tränken kommen, ohne dass ihre Hüftgelenke auskugelten, wie es heute oft der Fall ist.

Animal Equality:

Gab es damals den Einsatz von Antibiotika?

Gudrun:

Nein, Antibiotika waren in der DDR zu teuer und Mangelware. Stattdessen wurde sehr viel desinfiziert und die Hallen wurden täglich mit viel Wasser gereinigt. Ich erinnere mich, dass ich meinen Eltern erzählt habe, man könnte vom Fußboden essen. Es gab ein strenges Reinigungsregime, und die Anlagen waren damals erst wenige Jahre alt. Die Tiere wurden geimpft und bekamen Vitamine über das Trinkwasser.

Animal Equality:

Wie habt ihr kranke Tiere behandelt?

Gudrun:

Wir hatten ein Krankenabteil, in das wir die kranken Tiere gebracht haben. Manche haben sich erholt, andere wurden getötet. Es gab strenge Hygienevorschriften. Wir mussten durch Desinfektionswannen gehen und vor und nach der Arbeit duschen. Medikamente wurden kaum eingesetzt. Kein Angestellter durfte grundsätzlich privat irgendeinen Vogel halten, keine Pute, keinen Wellensittich. Das musste gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag unterschrieben werden. 

Animal Equality:

Wie war die Besatzdichte in den Ställen?

Gudrun:

In einem Betrieb gab es sieben Mastbereiche mit insgesamt einer Million Hühnern. Legehennen wurden oft auf drei oder vier Etagen übereinander gehalten. Über die Jahre wurde die Besatzdichte immer dichter, bis das maximal Mögliche erreicht war.

Animal Equality:

Wann und wie begann das Umdenken bei dir?

Gudrun:

Das fing eigentlich anders an, nicht direkt mit dem Tierleid, sondern mit dem Hinterfragen vieler Dinge in meinem Leben. Irgendwann kam ich darauf, dass mir viel Quatsch erzählt wurde – auch über die Tierhaltung. Vor etwa zehn Jahren begann ich, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Was mich im Nachhinein erschreckt, ist, wie man Menschen manipulieren kann. Uns wurde gesagt, dass Hühner kaum Schmerz empfinden und dass die Enge in den Käfigen ihrem natürlichen Verhalten entspricht, weil sie sich auch in freier Natur dicht zusammensetzen. Man hat uns erklärt, dass die Gitterstäbe vor ihren Augen den Zweigen in der Natur ähneln, was ich damals logisch fand. Ich dachte, die Tiere würden sich nicht quälen. Heute sehe ich das als eine Art Gehirnwäsche an.

Animal Equality:

Wie war dein Verhältnis zu den Tieren, als du in der Geflügelzucht gearbeitet hast?

Gudrun:

Ich habe die Tiere immer mit Respekt behandelt. Ich erinnere mich, dass ich beim Wiegen der Hühner immer sehr vorsichtig war, um ihnen nicht weh zu tun, obwohl meine Kollegen oft schneller arbeiten wollten. Da haben sich meine Arbeitskollegen sogar über mich lustig gemacht – ich habe es aber ausgehalten. Diese Einstellung hat mir später geholfen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und mich intensiver mit dem Tierleid auseinanderzusetzen.

Animal Equality:

Wie war es für dich, zu erkennen, dass das, was du gelernt und geglaubt hast, nicht der Wahrheit entspricht?

Gudrun:

Das war ein schleichender Prozess. Ich hatte immer das Gefühl, etwas stimmt nicht. Besonders durch die Wahrnehmung von Qualzuchten bei Hunden und Tauben begann ich, die Dinge zu hinterfragen. Es dauerte lange, bis ich realisiert habe, dass auch Tiere in der Landwirtschaft leiden. Der Zugang zu Informationen war damals begrenzt, aber als ich begann, mich zu informieren, wurde mir klar, dass ich etwas ändern muss. Heute empfinde ich es als Befreiung, vegan zu leben und meinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten.

Animal Equality:

Was hat dich letztendlich dazu bewegt, vegan zu leben?

Gudrun:

Der Wandel meiner Einstellung zu den Tieren begann wohl wirklich mit der Wahrnehmung von Qualzuchten bei allen Tierarten. Von diesem Zeitpunkt an bis heute waren es circa 30 Jahre winzigster Schritte. Als ich vor ca. sechs Jahren gemerkt habe, dass ich mich vegan ernähren kann, war das kein Verzicht, sondern eine Befreiung. Und dann waren die Sprünge größer, und ich bin froh, auf diesem Wege Neues zu entdecken und auszuprobieren. Bis dahin kam ich nicht mal auf die Idee, keine Milch mehr zu trinken, obwohl ich sie nicht vertrug. Auch das zeigt, wie manipuliert man sein kann, ohne es zu merken.

Animal Equality:

Was möchtest du anderen mitgeben, die sich ähnliche Fragen stellen?

Gudrun:

Ich bereue es, dass ich nicht früher erkannt habe, dass man anders leben kann. Es gibt immer die Möglichkeit zur Veränderung, egal, wie alt man ist. Das macht mir Mut und gibt mir Hoffnung. Es gibt keinen Grund, nicht heute mit einer Veränderung zu beginnen. Manchmal hat es mich frustriert, wenn vor allem ältere Menschen gesagt haben: „Machst du immer noch diesen Quatsch mit dem Pflanzenessen?“ Das hat mich oft gekränkt. Inzwischen denke ich mir aber, dass ihr Wissen einfach aus einem früheren Jahrhundert stammt. Diese alten Überzeugungen, zum Beispiel, Milch sei gesund, sollte man hinterfragen. Ich bin froh, dass immer mehr Menschen das tun.

Gudruns Geschichte ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass eine tiefgreifende Veränderung im Denken und Handeln möglich ist. Ihre Reise von der Geflügelzüchterin zur Tierschützerin zeigt, dass es nie zu spät ist, die eigene Perspektive zu überdenken und neue Wege zu gehen.

Wir danken Gudrun herzlich für ihre Offenheit und ihren Mut, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Ihre Erkenntnisse und ihr Engagement sind inspirierend und ermutigen viele Menschen, über ihren eigenen Umgang mit Tieren nachzudenken und aktiv an einer besseren Zukunft für alle Lebewesen zu arbeiten.

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