

TransFARMation: Revolution in der Landwirtschaft
TransFARMation – also die Umstellung konventioneller Tierhaltungsbetriebe über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren – ist mehr als nur ein Trend. Sie ist eine vom Schweizer Hof Narr gestartete Bewegung, die die herkömmliche Landwirtschaft revolutioniert und wirtschaftlich unabhängige, bio-vegane Landwirtschaft hervorbringt. Durch die Umstellung wird für die Betriebe eine neue Ära der Ethik und Nachhaltigkeit eingeläutet.
Gründerin dieser Bewegung ist Sarah Heiligtag, eine engagierte Tierethikerin und Landwirtin. Sie vereint Theorie und Praxis der Ethik im Lebenshof Hof Narr und hat den Begriff TransFARMation geprägt. Sarah zeigt Landwirt*innen einen Weg aus der Tiernutzung und begleitet sie bei der Umsetzung.
Im Interview erklärt sie, wie eine TransFARMation üblicherweise abläuft und erzählt von den Hürden des Prozesses sowie den typischen Bedenken von Landwirt*innen. Dabei geht sie auch auf Mythen im Zusammenhang mit landwirtschaftlich genutzten Tieren und der Tierhaltungsindustrie ein, die bis heute in der Gesellschaft kursieren.
Animal Equality:
Wie läuft eine TransFARMation ab?
Sarah:
Meistens läuft es so ab: Ein Landwirt liest einen Zeitungsartikel, schaut sich eine Dokumentation an oder hört, was ein Aktivist ihm erzählt. Dann greift er zum Hörer und ruft uns an, um zu fragen, ob eine TransFARMation auch bei ihm möglich ist. Es folgt ein erstes Telefongespräch, bei dem wir die Situation besprechen. Manche Landwirte sind sehr emotional und hoffen, die Lösung gefunden zu haben, andere sind kritischer und zweifeln, ob es bei ihnen funktionieren kann.
Wenn das Gespräch positiv verläuft, besuche ich den Hof und schaue mir die Bedingungen vor Ort an: Wie viel Land ist vorhanden? Wie ist die Infrastruktur? Was sind die möglichen neuen Einkommensquellen? Danach gehe ich nach Hause und erstelle einen Umstellungsplan für die ersten ein bis zwei Jahre. Dabei helfen wir auch bei der Budgetierung und stellen sicher, dass der Hof finanziell solide aufgestellt ist.
Animal Equality:
Ist es sinnvoll, mit der Idee einer TransFARMation direkt auf Landwirt*innen zuzugehen?
Sarah:
Ja, es macht Sinn, auf die Landwirte zuzugehen, aber nicht direkt von unserer Position aus. Es ist effektiver, wenn Aktivisten das Thema bei Mahnwachen oder Gesprächen aufgreifen und den Landwirten zeigen, dass es Alternativen gibt. Wir selbst leben vor, wie es anders geht, und wenn jemand die Verbindung herstellt und die Landwirte darauf hinweist, dass sie ihren Hof auch umstellen könnten, ist das optimal.
Animal Equality:
Wie schnell kann eine TransFARMation durchgeführt werden?
Sarah:
Die übliche Dauer einer TransFARMation sind ein bis zwei Jahre. Aber es kann auch schneller gehen. Ich habe schon Höfe gesehen, die in zwei Monaten umgestellt wurden, wenn die Infrastruktur bereits vorhanden war. Es hängt davon ab, wie die Bedingungen sind und was umstrukturiert werden muss.
Animal Equality:
Gibt es wiederkehrende Probleme, die bei praktisch jeder TransFARMation auftreten?
Sarah:
Ja, es gibt viele Parallelen. Der größte Knackpunkt ist oft der soziale Druck. Viele Landwirte haben Angst vor der Reaktion ihrer Familien oder des Dorfes. Manche wollen umstellen, trauen sich aber nicht, weil sie Kritik fürchten. Auch finanzielle Herausforderungen können eine Rolle spielen, vor allem wenn bereits Schulden bestehen.
Animal Equality:
Aus welchen Gründen scheitern TransFARMationen?
Sarah:
Bisher gab es noch keinen Fall, in dem jemand die TransFARMation abgebrochen hat.
Gelegentlich habe ich Beratungsgespräche, bei denen ein Landwirt sehr interessiert ist, aber der Rest der Familie nicht. Dann kommt oft nach dem Gespräch ein Anruf, dass sie es sich noch länger überlegen müssen oder es dieses Jahr doch nicht machen wollen. Das fühlt sich wie eine Absage an, aber manchmal melden sich diese Landwirte im nächsten Jahr wieder und sind dann voll motiviert. Bis jetzt hat aber noch niemand, der wirklich mit der TransFARMation begonnen hat, den Prozess abgebrochen.
Animal Equality:
Wie erklärst du dir die hohe Erfolgsquote bei den TransFARMationen?
Sarah:
Ich denke, das liegt daran, dass die Landwirte endlich mit ihren eigenen Werten in Einklang kommen. Viele Landwirte sagen, dass sie nie in die Augen der Tiere schauen konnten, weil es zu schmerzhaft war. Mit der Umstellung erlauben sie sich, diese Verbindung zu den Tieren aufzubauen, und es entsteht ein Wohlbefinden, das vorher nicht da war. Sie stehen morgens auf und freuen sich auf die Arbeit. Die positiven Reaktionen aus der Öffentlichkeit spielen dabei auch eine wichtige Rolle.
Animal Equality:
Wie bist du selbst dazu gekommen, das Thema auf diese Art und Weise anzugehen?
Sarah:
Ich habe an vielen Orten des Grauens recherchiert und viel Leid gesehen. Das hat mich kaputt gemacht. Ich habe mir die Frage gestellt, wie ich langfristig für die Tiere einstehen kann, ohne daran zu zerbrechen. Daraus entstand der Drang, einen Ort zu schaffen, der zeigt, wie wir friedlich zusammenleben können, und das war dann der Lebenshof. Diese Kombination aus gegen etwas sein und gleichzeitig Alternativen aufzuzeigen, hat mir Kraft gegeben.
Animal Equality:
Was sind die Einwände, die du am häufigsten hörst?
Sarah:
Die typischen Einwände sind, dass man Fleisch produzieren muss, um die Welt zu ernähren, oder dass man nicht gesund bleiben kann, wenn man keine Tiere isst. Diese Argumente sind aber völlig haltlos. Ein weiteres häufiges Argument in der Schweiz ist, dass die Schweiz ein Grasland ist und man Kühe braucht, um hochwertige Proteine zu produzieren. Dieses Argument kommt interessanterweise oft von Landwirten, die Schweine oder Hühner haben, die ja kein Gras fressen. Das zeigt mir das schlechte Gewissen, dass sie eigentlich etwas ändern möchten, aber glauben, dass es nicht geht.
Animal Equality:
Wie antwortest du auf Bedenken zur Vitamin-B12-Unterversorgung?
Sarah:
Erstens werden Tiere auf jedem Hof, mit dem ich zu tun habe, standardmäßig mit Vitamin B12 gefüttert. Daher können wir Vitamin B12 auch direkt supplementieren, ohne den Umweg über tierische Produkte zu gehen. Ethisch betrachtet würde ich sogar sagen: Selbst wenn Tiere kein Vitamin B12 zugefüttert bekämen, sollten wir uns für eine direkte Zufuhr entscheiden. Wenn wir durch eine kleine Supplementierung so viel Leid verhindern können, ist das die eindeutig bessere Wahl.
Animal Equality:
Funktioniert Landwirtschaft ohne tierische Dünger?
Sarah:
In der Schweiz, ebenso wie in Österreich und Deutschland, haben wir ein großes Problem mit zu viel Gülle, die unsere Ressourcen langfristig zerstört. Eine nachhaltige Landwirtschaft ohne tierische Dünger ist möglich, indem wir alternative Methoden wie Kompostierung und Grünland-Mulch-Verfahren nutzen. Diese Methoden können genauso wertvollen Dünger herstellen, ohne den Umweg über Tiere zu gehen.
Wir müssen in Kreisläufen denken und den Boden pflegen, anstatt ihn mit zu viel tierischem Dünger zu belasten. Es geht nicht darum, Tiere abzuschaffen, sondern ihnen Raum zu geben, damit sie mit uns leben können. Wenn dabei Dünger anfällt, können wir ihn nutzen. Ziel sollte ein integratives Arbeiten mit der Natur und allen Lebewesen sein, um gesunde Böden zu erhalten, die uns nachhaltig ernähren.
Animal Equality:
Einige Menschen stellen sich die Frage: Wohin mit all den Tieren, wenn alle Menschen vegan werden? Kannst du sie beantworten?
Sarah:
Wenn wir aufhören würden, die Tiere zu besamen, hätten wir schon in ein paar Monaten nur noch einen Bruchteil der Tiere. Diese Vorstellung, dass Millionen Tiere dann irgendwo frei herumlaufen würden, ist absurd. Die Tiere sind nur da, weil sie kontinuierlich gezüchtet werden. Die Muttertiere könnten auf Lebenshöfen untergebracht werden oder auf Höfen, die umgestellt werden.
Animal Equality:
Viele Menschen sagen, sie würden beim Bauern nebenan kaufen. Was sagst du dazu?
Sarah:
Dass so viele Menschen dieses Argument nutzen, zeigt für mich einfach das schlechte Gewissen, das sie eigentlich haben. Man möchte sich die Realität schönreden. In der Schweiz ist es immer dieses Heidi-Land-Bild: Die Tiere sind alle draußen und leben ein idyllisches Leben. Doch die Wahrheit ist, dass sie extrem kurz leben und viele gar nicht erst rauskommen. Allein der Punkt, dass man sagt „Ich esse nur wenig Fleisch“ oder „Ich kaufe nur beim Bauern nebenan“, zeigt doch, wie groß das Unrecht eigentlich ist. Sonst würde man das nicht extra betonen müssen. Wenn man wirklich im Einklang mit dem wäre, was passiert, würde man einfach sagen: „Ich esse Fleisch“, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Animal Equality:
Wie kann man die Menschen am besten erreichen?
Sarah:
Es ist entscheidend, die Missstände aufzudecken und die Realität zu zeigen, da viele diese nicht wahrhaben wollen. Besonders effektiv ist es, individuelle Geschichten zu erzählen. Wenn Menschen beispielsweise ein Schwein auf einem Lebenshof kennenlernen, verändert das oft ihre Sichtweise. Eine Statistik über Milliarden von Tieren wirkt abstrakt und überfordert, aber die Geschichte eines einzelnen Tieres berührt emotional und macht das Leid greifbar.
Diese Methode funktioniert auch außerhalb von Tierschutzorganisationen: Erzählt Geschichten von Tieren, die ihr kennt oder über die ihr gelesen habt. Zeigt, dass es sich um fühlende Individuen handelt. Menschen, die Hunde lieben, verstehen schnell, was Schweine durchmachen, wenn man die Parallelen aufzeigt.
Zusätzlich empfehle ich, Lebenshöfe zu besuchen und die Tiere dort im positiven Umfeld zu erleben. Die Kombination aus aufrüttelnden Bildern und positiven Erlebnissen ist besonders wirkungsvoll. Auch die Geschichten von Höfen, die auf eine tierfreie Landwirtschaft umgestellt haben, inspirieren und regen zum Nachdenken an. Wenn Landwirte selbst sagen, dass sie die Tiere nicht mehr ausbeuten wollen, hat das eine starke Wirkung auf Konsumenten.
Animal Equality:
Hast du eine persönliche Botschaft an die Leser*innen?
Sarah:
Ich möchte den Menschen ans Herz legen, dass sie erkennen, welche Macht sie als Einzelpersonen haben. Wenn wir uns alle einsetzen, können wir die Welt zu einem friedlicheren Ort machen. Jeder kann auf seinem Niveau etwas tun, sei es durch zivilen Ungehorsam, Briefe schreiben oder sich für die Tiere einsetzen. Wenn wir das alle tun, können wir in fünf Jahren schon viel erreichen.
Wir danken Sarah Heiligtag für das Interview und den Einblick in diese wichtige Arbeit.
Die TransFARMation vom Hof Narr ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine Initiative, die Fakten schafft. Eine Initiative, die beweist, dass unsere Vision von einer Welt, in der alle Tiere respektiert und vor Ausbeutung geschützt sind, keine Utopie ist, sondern mit Ideenreichtum, Kreativität und Willenskraft schon heute in die Tat umgesetzt werden kann.
Mittlerweile gibt es die TransFARMation nach dem Vorbild von Sarah Heiligtag und ihrem Hof Narr auch in Deutschland (TransFARMation Deutschland) und der Schweiz (TransFARMation Austria), und auch in anderen Ländern wie den USA, Schottland und Australien bieten Organisationen Transfarmationsberatungen an.
Als Konsument*innen sind wir in der Position, dieser Vision einen Schritt näherzukommen.
Jedes Mal, wenn wir uns für pflanzliche Lebensmittel entscheiden, setzen wir ein klares Zeichen gegen die Ausbeutung und Grausamkeit in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Auf Love Veg findest du leckere Rezepte und Inspirationen für eine tierfreundliche Lebensweise.

LEBE DEIN MITGEFÜHL
Einer der effektivsten Wege, um das Leben landwirtschaftlich genutzter Tiere nachhaltig zu verbessern, ist der Umstieg auf pflanzliche Alternativen. Besuche Love Veg und starte noch heute mit einer pflanzlichen Ernährungsweise.
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