Angebunden ausgebeutet
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier […] verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
§ 2 Tierschutzgesetz
Was ist Anbindehaltung und warum widerspricht sie dem Tierschutzgesetz?
Rinder in Anbindehaltung sind fixiert, das heißt, sie können sich nicht frei bewegen. Sie sind dazu verdammt, entweder an einem Fleck stehenzubleiben oder sich am selben Fleck hinzulegen. Eine andere Wahl haben sie nicht. An diesem Fleck werden sie gefüttert. An diesem Fleck bekommen sie Wasser. Rinder aus der Milchindustrie müssen an diesem Fleck ihre Milch geben. An diesem Fleck scheiden sie Kot und Urin aus. Tagein, tagaus. An diesem Fleck müssen viele ihre Kinder zur Welt bringen und danach wieder künstlich befruchtet werden. Das entspricht in keiner Weise einer „verhaltensgerecht[en]“ Unterbringung.
Die Tiere stehen dabei etwa 15 cm über einer Rinne, über die ihre Ausscheidungen abfließen sollen. Die Standfläche ist oft standardisiert, nicht an die Größe der Tiere angepasst. Und das verursacht den Tieren Schaden. Es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Ständen für diese Haltungsform: einen kurzen, bei dem größere Tiere oft mit dem Sprunggelenk auf der Kante zur Abflussrinne liegen und sich Hautverletzungen zuziehen – „vermeidbare Leiden“. Und es gibt einen langen, bei dem die Ausscheidungen kleinerer Tiere auf der Standfläche landen. Die Tiere sind dann gezwungen, in ihren Exkrementen zu liegen. Kein Tier legt sich freiwillig in Kot oder Urin, denn die Krankheitserreger in ihren Ausscheidungen können die Tiere krank machen – „vermeidbare Leiden“. Zusätzlich dazu, weisen die Rinder in Anbindehaltung oft Verhaltensstörungen auf.
Dass dennoch Rinder unter diesen Lebensbedingungen leiden müssen, lässt ernsthaft daran zweifeln, dass Haltende „über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“ Die Anbindehaltung widerspricht also allen drei Absätzen von § 2 des Tierschutzgesetzes, das eigentlich einen eng definierten Zweck erfüllen soll, der in § 1 genannt wird: „Aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.“
Auch die sogenannte Kombinationshaltung, bei der die Tiere zeitweise Auslauf bekommen, ändert nichts an der unzulässigen Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, wenn sie sonst angebundenen werden.
Wie viele Rinder müssen in Deutschland angebunden leben?
Dennoch mussten in Deutschland im Jahr 2020 etwas mehr als 1 Million Rinder in eigentlich offensichtlich rechtswidriger Anbindehaltung leben, etwa jedes zehnte Rind in Deutschland. Deshalb tröstet auch kaum, dass diese Haltungsform über die letzten Jahre deutlich an Bedeutung verloren hat: um 62 % seit 2010, wo noch etwa 3 Millionen Rinder angebunden leben mussten. Denn in Bayern zum Beispiel – dem Bundesland mit der höchsten Milchproduktion in Deutschland – setzen immer noch 60 % der Milchproduktionsbetriebe auf Anbindehaltung – dabei überwiegt die ganzjährige Anbindehaltung deutlich (48 %, gegenüber 12 % mit Auslauf). Und besonders problematisch: Es gibt nicht unerhebliche Bestrebungen, die Anbindehaltung zu normalisieren und als für die Gesellschaft bedeutend darzustellen.
Die Tierhaltungsindustrie verklärt die Anbindehaltung
Es mutet zynisch an, dass der Bayerische Bauernverband argumentiert, dass „Familien, die die kleinen Anbindebetriebe bewirtschaften, einen wichtigen Beitrag zur Sicherung lebendiger Dörfer und Gemeinden und der sozialen Strukturen vor Ort“ leisten, etwa durch „Engagement in den örtlichen Vereinen“. Das ist jedoch auch bezeichnend: Selbst der Industrie fehlt hier offenbar jegliche Fantasie, sich Argumente für ihre tierquälerischen Praktiken auszudenken.
Diese Darstellung hat jedoch einen perfiden Hintergrund: Ziel der Industrie ist es, das Wohl von Tieren zu relativieren. Sie stellt Tierquälerei als kulturelles Erbe und Tradition dar, obwohl klar sein muss, dass Tradition niemals systematisches Leiden von Lebewesen rechtfertigen darf. Die Erhebung zum Kulturgut wird dabei oft mit sozialen Komponenten vermischt – sei es ein Verweis auf bedrohte Arbeitsplätze oder es wird, wie hier, eine soziale Funktion unterstellt, für die es keinerlei Begründung gibt.
Ausbeutung von Tieren als Weltkulturerbe
Besondere Blüten treibt dieses Vorgehen aktuell in Garmisch-Partenkirchen. Der Landkreis arbeitet seit über 10 Jahren an der Bewerbung bei der UNESCO für den Status ‘Weltkulturerbe’. In der finalen Version des 853-seitigen Bewerbungsdokuments findet sich die Aussage, die Kombinationshaltung – also Anbindehaltung mit möglicherweise gelegentlichem Auslauf – sei zu bewahren (S. 572, Managementplan/Anlage S. 79). Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen setzen sogar 75 % der Betriebe entweder auf Anbinde- oder Kombinationshaltung! Die Verleihung des Status könnte beträchtliche Auswirkungen haben.
Denn obwohl die Bundesregierung plant, die Anbindehaltung in den nächsten zehn Jahren zu verbieten, würde die Anbindehaltung als Weltkulturerbe möglicherweise eine Ausnahmeerlaubnis für den Landkreis zur Folge haben. Denn die Tierschutzgesetzgebung der EU wägt explizit das „Wohlergehen der Tiere“ gegen „kulturelle Traditionen und das regionale Erbe“ ab (Titel II, Artikel 13 AEUV).
Was kannst du tun?
Es gilt, wachsam zu bleiben, die Manöver der Industrie zu durchschauen und nicht auf ihre Täuschung hereinzufallen. Tradition kann die Ausbeutung von Tieren nicht entschuldigen. Außerdem zeigt dieses Beispiel ganz allgemein, wie sehr Rinder – auch für die Milchproduktion – leiden müssen. Und auch ohne Anbindehaltung bedeutet die Milchproduktion für Rinder Leid: Einmal im Jahr müssen sie ein Kalb zur Welt bringen, sonst produzieren sie keine Milch. Ihre Kinder werden ihnen in der Regel nach der Geburt weggenommen. Nach etwa 5 Jahren nimmt ihre Milchproduktion spürbar ab und sie werden, als eigentlich noch Jugendliche, geschlachtet.
Hühner in der Eierproduktion, Schweine und Rinder in der Fleischproduktion, Fische in Aquakulturen, Rinder in der Milchproduktion usw. – alle diese Tiere leiden unter der landwirtschaftlichen Tierhaltung.
Das zeigt: Am meisten kannst du für die Tiere tun, wenn du auf Tierprodukte verzichtest. Hilf ihnen, indem du auf eine pflanzenbasierte Nahrung setzt!
LEBE DEIN MITGEFÜHL
Einer der effektivsten Wege, um das Leben landwirtschaftlich genutzter Tiere nachhaltig zu verbessern, ist der Umstieg auf pflanzliche Alternativen. Besuche Love Veg und starte noch heute mit einer pflanzlichen Ernährungsweise.