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Europäisches Parlament hält Stopfleber für tierschutzkonform

März 1, 2022 Aktualisiert: Juli 19, 2024

Im Juni 2021 war die Hoffnung groß, dass der jahrelange Einsatz für die endgültige Abschaffung der Produktion des grausamsten Lebensmittel der Welt, der Foie Gras oder Stopfleber durch Zwangsfütterung, endlich von Erfolg gekrönt werden würde. Der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments hatte die Europäische Kommission nämlich “erneut” aufgefordert, endlich “Vorschläge für ein sofortiges Verbot der grausamen und unnötigen Zwangsfütterung von Enten und Gänsen zur Erzeugung von Stopfleber vorzulegen”. Als Gründe für diesen dringlichen Vorschlag führte der Ausschuss unter anderem an,

“…dass das Interesse der Verbraucher an der Herkunft, der Konservierung und der Qualität der gekauften Lebensmittel größer denn je ist und dazu führt, dass die Verbraucher nachhaltigere und gewissenhaftere Entscheidungen treffen […];

…dass 94% der Unionsbürger*innen die Ansicht vertreten, dass das Wohlergehen von Nutztieren wichtig ist, 82% der Meinung sind, dass Nutztiere besser geschützt werden sollten,”.

WAS SAGEN WISSENSCHAFT UND POLITIK ZUR ZWANGSFÜTTERUNG?

Der Vorschlag an die EU-Kommission war schon lange überfällig, denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Veterinärmedizin zur gängigen Stopfleberproduktion sind eindeutig und lassen nur einen Schluss zu: Jede Form der Zwangsfütterung ist abzulehnen, weil sie den Tieren großen Stress, Schmerzen und Verletzungen zufügt. Die Zwangsfütterung bereitet den Enten und Gänsen nachweislich schwere Qualen und körperliche Schäden. Die Tiere leiden unter Atemproblemen und haben Schwierigkeiten beim Stehen und Gehen – wenn sie in ihren Käfigen überhaupt genug Platz haben, sich zu bewegen. Die Vögel können so schwer werden, dass sie nicht mehr an Wasserstellen gelangen können und an Dehydrierung sterben. Häufig kommt es auch zu Verletzungen und Infektionen der Speiseröhre. Dieser wissenschaftlich fundierten Einschätzung stimmt auch die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zu, die die Zwangsfütterung in der Stopfleberproduktion wegen starker Bedenken in puncto Tierschutz sogar offiziell missbilligt.

Und auch politisch stand die Stopfleberproduktion eigentlich schon sehr viel länger endgültig auf dem Abstellgleis: Die EU hat sie bereits im Jahr 1999 im Rahmen einer Richtlinie verboten. Dieses Verbot gilt auch in der absoluten Mehrzahl der Mitgliedsländer: Deutschland und 21 weitere EU-Länder haben die Richtlinie in nationales Recht übersetzt und damit die Stopfleberproduktion untersagt. Fünf EU-Länder umgehen dieses Verbot jedoch, indem sie den geltenden rechtlichen Rahmen der Europäischen Union ignorieren. Genauer gesagt: Sie beschönigen die Stopfleberproduktion unter dem Deckmantel eines sogenannten nationalen Kulturerbes und verweisen auf die Bedeutung für ihre gastronomische Tradition – so zum Beispiel Frankreich, das Land, das weltweit den mit Abstand größten Anteil an Stopflebern produziert.

WAS HAT SICH JETZT GEÄNDERT?

Das EU-Parlament hat in einer Abstimmung am 15.02.2022 festgestellt,

“dass die Erzeugung von Stopfleber auf landwirtschaftlichen Verfahren beruht, bei denen die Tierwohlkriterien eingehalten werden, da es sich um eine extensive Produktionsform handelt, die überwiegend in landwirtschaftlichen Familienbetrieben stattfindet, in denen die Vögel 90% ihres Lebens im Freien verbringen und in der die Mastphase, die durchschnittlich zwischen zehn und zwölf Tage dauert, mit zwei Fütterungen pro Tag den biologischen Parametern der Tiere entspricht”. 

Enten und Gänse sind wasserliebende Tiere, die einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, in und am Wasser mal mehr, mal weniger intensiv nach Futter zu suchen. Diesen Tieren zwei bis drei Mal am Tag innerhalb von 3 Sekunden bis zu 450 g Futter – etwa 95% Mais und 5% Schweineschmalz – mit einer 20-30 cm langen Metallröhre durch die Kehle direkt in den Magen zu pumpen entspricht nicht im Ansatz ihrer natürlichen Nahrungssuche. Diesen Prozess als mit “biologischen Parametern” übereinstimmende Fütterung zu bezeichnen, bei der “Tierwohlkriterien eingehalten werden”, ist deshalb nicht nur zynisch, sondern fachlich falsch.

Aber wie konnte das überhaupt passieren, nur acht Monate nach der Aufforderung, die Zwangsfütterung als “grausame und unnötige” Praxis schnellstmöglich zu verbieten? Parallel zu der Aufforderung an die EU-Kommission im Juni 2021 wurde dem Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments ein Entwurf für einen Umsetzungsbericht über das Wohl landwirtschaftlich genutzter Tiere vorgelegt – dieser Bericht wurde nun verabschiedet. In diesem Entwurf war die Passage hinsichtlich der Einschätzung zur Stopfleber laut einem Bericht des Nachrichtenportals EURACTIV noch gar nicht enthalten. Sie wurde erst nachträglich durch zwei französische Politiker*innen der liberalen Fraktion im EU-Parlament eingebracht und jetzt mit dem Rest des Berichts verabschiedet.

DIESE ENTSCHEIDUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS IST SKANDALÖS

Das Ergebnis der Abstimmung des EU-Parlaments ist auf mehreren Ebenen ein Skandal. Mit der Entscheidung, der Stopfleberproduktion die Einhaltung von Tierwohlkriterien zu bescheinigen, widerspricht das EU-Parlament nicht nur sich selbst – also der Entscheidung desselben Parlaments von vor etwa einem halben Jahr –, es widerspricht auch ausdrücklich wissenschaftlichen Erkenntnissen und allen vermeintlichen Werten, denen sich die Europäische Union mit ihrer Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlich genutzter Tiere im Jahr 1999 verschrieben hat. Zusätzlich widerspricht sie, wie oben beschrieben, den Wünschen, Interessen und Moralvorstellungen ihrer Bevölkerung. Und besonders perfide: Zwischen der Vorlage der ersten Fassung des Berichts und der Einbringung der Änderungsanträge, haben laut EURACTIV nachweislich Treffen zwischen den beiden Politiker*innen und landwirtschaftlichen Lobbyverbänden aus Frankreich stattgefunden. Dazu passt natürlich, dass Agrarverbände die Ergänzung begrüßt haben.

WIE GEHT ES WEITER?

Es gibt sehr viel zu tun! Die Bürger*innen der Europäischen Union können diese Entscheidung sowohl gegen das Tierwohl, als auch gegen ihre eigenen Interessen nicht stillschweigend hinnehmen. Jetzt gilt es, gesellschaftlichen Druck auf die Entscheidungsträger*innen auszuüben, um diese Entscheidung so schnell wie möglich zu korrigieren. Wir von Animal Equality werden daher unsere Arbeit in der nächsten Zeit besonders darauf fokussieren, das Leid der Enten und Gänse in der Stopfleberproduktion zu beenden und die Zwangsfütterung unschuldiger Lebewesen ein für alle Mal und endgültig abzuschaffen. Dabei bauen wir vor allem auf unsere Unterstützer*innen.

Abonniere unseren Newsletter, um über das Schicksal der Enten und Gänse auf dem Laufenden zu bleiben.

Bitte unterzeichne unsere Petition und fordere mit uns ein starkes Engagement der deutschen Regierung, sich für eine EU-weite Abschaffung der Zwangsfütterung bei der Stopfleberproduktion einzusetzen.


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