EU-Staaten dürfen ausnahmslose Betäubung vor der Schlachtung vorschreiben
Es ist ein historischer Schritt für den Tierschutz: EU-Mitgliedstaaten können die Schlachtung von Tieren bei vollem Bewusstsein seit Dezember 2020 untersagen. Ausnahmen für rituelle Schlachtmethoden müssen nicht mehr erteilt werden.
Mit einer bahnbrechenden Entscheidung legte der Europäische Gerichtshof heute fest, dass EU-Mitgliedstaaten ab sofort frei darüber entscheiden können, ob sie die Betäubung von Landtieren vor der Schlachtung vorschreiben. Damit ist klar, dass die Länder nun keine Ausnahmen mehr zulassen müssen – sei es für religiöse Rituale oder aus anderen Gründen.
TÖTUNG BEI VOLLEM BEWUSSTSEIN: Die jetzige EU-Gesetzgebung besagt, dass alle zur Nahrungsmittelgewinnung gezüchteten Landtiere vor der Schlachtung bewusstlos gemacht werden müssen. Vor der Gerichtsentscheidung waren jedoch Ausnahmen im Kontext einiger religiöser Praktiken möglich. Bei der rituellen Schlachtung besteht die Möglichkeit, dass Tieren die Kehle durchgeschnitten wird und sie bei vollem Bewusstsein – und entsprechend unter größten Schmerzen – verbluten. Die Forschung hat bereits nachgewiesen, dass eine Schlachtung ohne vorherige Betäubung enormes Leid zur Folge hat.
DIE NEUE REGELUNG: Im Juli 2019 verbot die belgische Region Flandern die Schlachtung von Tieren ohne vorherige Betäubung ausnahmslos. Das Verbot umfasste traditionelle jüdische wie auch muslimische Rituale. Der belgische Verfassungsgerichtshof verwies die Angelegenheit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verbots an den Europäischen Gerichtshof.
DAS URTEIL: Das heute ergangene Urteil legt fest, dass es den Mitgliedstaaten ab sofort gestattet ist, vor der Schlachtung von Landtieren ausnahmslos eine Betäubung einzufordern. Dabei darf die sogenannte „reversible Betäubung” zum Einsatz kommen, um das Leid der Tiere bei der religiösen Schlachtung zu verringern. Denn wird diese Technik korrekt angewandt, ist das Tier zwar bewusstlos, das Fleisch kann aber dennoch als halal bzw. koscher angesehen werden.
„Das Gericht hat eine gute Balance in dieser heiklen Angelegenheit gefunden. Religiöse Diskriminierung darf nicht hingenommen werden; doch gleichzeitig müssen Gesetze, die für alle Bürger unabhängig von deren Religion gelten, bestehen dürfen. Gesetze, die Individuen vor unfreiwilligen Schmerzen und Leid schützen, müssen gegen jede rechtliche Anfechtung aufrechterhalten werden.“
Sarah Hanneken, Legal Advocacy Counsel, Animal Equality US
TRADITION ENTSCHULDIGT KEINE TIERQUÄLEREI: Die Eurogroup for Animals – ein Zusammenschluss aus führenden Organisationen, u.a. Animal Equality – hat den Prozess engmaschig verfolgt. Im Oktober veröffentlichte sie eine Meinungsumfrage, aus der hervorgeht, dass 90% der Europäer*innen gegen Schlachttechniken sind, die Tierleid verursachen.
„Das Urteil hebt hervor, dass Tierschutz und Religionsfreiheit Hand in Hand gehen können. Immer mehr religiöse Gemeinschaften sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU akzeptieren eine Betäubung vor der Schlachtung. Mit der reversiblen Betäubung ist es möglich, unter der aktuellen EU-Gesetzgebung die Werte der Religionsfreiheit – in Form ritueller Schlachtopfer – mit dem Anliegen des Tierschutzes in Einklang zu bringen.“
Reineke Hameleers, Direktorin, Eurogroup for Animals.
WO IST EINE BETÄUBUNG AKTUELL VORGESCHRIEBEN? Flandern hat sich mit seiner Entscheidung zahlreichen Ländern angeschlossen, in denen die Betäubung von Landtieren vor der Schlachtung bereits ausnahmslos vorgeschrieben ist. Darunter fallen z.B. Slowenien, Finnland, Dänemark, Schweden sowie die belgische Region Wallonien.
Wenn Sie ganz sichergehen möchten, dass Sie nicht zum Leid der Tiere beitragen, dann gibt es nur einen Weg: Streichen Sie Tiere von Ihrem Speiseplan. Der Mensch kann ein glückliches, gesundes Leben führen, ohne Anderen zu schaden. Und bei all den fantastischen pflanzlichen Optionen, die uns der Markt heute bietet, war es nie einfacher, vegan zu leben.