Wir fordern: Zwangsmast abschaffen, nicht nur verbieten!
Vor drei Tagen haben wir unsere Kampagne zur EU-weiten Abschaffung der Zwangsmast von Enten und Gänsen in der Stopfleberproduktion gestartet. In dieser Kampagne fordern wir den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir und die Bundesregierung in einer Petition auf, das gesetzlich festgelegte Mindestgewicht der als Stopflebern gehandelte Lebern durch ein Höchstgewicht zu ersetzen, um das Leiden der von Zwangsmast betroffenen Enten und Gänse zu lindern. In diesem Blogpost erläutern wir die Hintergründe dieser speziellen Forderung.
Warum ein Importverbot in Deutschland nicht ausreichend wäre
Durch eine unserer internationalen Kampagnen haben wir erreicht, dass die Regierung von Indien den Import von Stopfleberprodukten faktisch verboten hat, indem sie den Verkauf untersagt hat. Ein Importverbot lässt sich in Deutschland jedoch aufgrund des freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union nicht ohne Weiteres erlassen. Darüber hinaus wäre ein Importverbot für uns auch nicht ausreichend: Von den knapp 20.000 Tonnen in der EU produzierten Stopfleber, werden weniger als 1 % nach Deutschland exportiert – ein Importverbot hätte demnach kaum einen Einfluss auf die (je nach Schätzung und angenommenem Durchschnittsgewicht der Lebern) 10 bis 70 Millionen Enten und Gänse, die unter der Zwangsmast leiden. Es muss eine strukturelle Veränderung her! Und die wollen wir durch eine ganz spezielle Veränderung der geltenden EU-Verordnung zu Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch herbeiführen, nämlich der Einführung eines Höchstgewichts der als Stopfleber vermarkteten Lebern. Solch eine Änderung ist eine rein politische Entscheidung, die auf europapolitischer Ebene getroffen werden kann. Da etwa 90 % der Stopflebern weltweit innerhalb der Europäischen Union produziert werden, wäre das ein großer Schritt in Richtung der weltweiten Abschaffung dieser grausamen Praktik.
Weshalb wir ein Höchstgewicht für Stopfleberprodukte fordern
Unsere Forderung hat einen besonderen Hintergrund. Um die Leber einer Ente oder Gans als „Foie Gras“ bezeichnen zu dürfen, muss sie der oben genannten EU-Verordnung nach ein Mindestgewicht von 300 g (Enten) und 400 g (Gänse) aufweisen. Diese aktuell geltende Regelung schützt jedoch ausschließlich das Produkt ‘Stopfleber’ als sogenanntes „nationales und gastronomisches Kulturerbe“ und nicht die Lebensqualität der unter der Produktion leidenden Tiere. Die Lebern dieser Enten und Gänse sind bei ihrer Tötung bis zu 10 Mal größer als bei gesunden Tieren und können bis zu 2 kg wiegen – und haben damit ein Gewicht weit über dem Mindestgewicht. Ein solches Gewicht kann natürlich nicht durch eine natürliche Fütterung, sondern nur durch extreme Überfütterung erreicht werden. Den Tieren wird also gegen ihren Willen viel zu viel Futter verabreicht, während überall auf der Welt Menschen Hunger leiden – und das nur, um ein „Luxuslebensmittel“ herzustellen.
In der Praxis sieht die Zwangsfütterung folgendermaßen aus: Den Tieren wird in der Regel zwei bis drei Mal täglich ein Futterbrei (vergleichbar mit Haferbrei) aus etwa 95 % Mais und 5 % Fett durch eine etwa 20 bis 30 cm lange Metallröhre mittels einer pneumatischen Pumpe durch den Rachen direkt in den Kropf oder Drüsenmagen gepumpt. Eine Person kann pro Stunde bis zu 400 Tiere zwangsfüttern – das entspricht 9 Sekunden pro Tier. Der tatsächliche Prozess der Zwangsfütterung dauert dabei nur 2 bis 3 Sekunden. Diese Fremdbestimmung, also der Zwang, Nahrung aufzunehmen und darüber nicht selbst entscheiden zu können, ist ein massiver Eingriff in die Selbstbestimmung der Tiere und daher weder aus tiermedizinischer noch aus moralischer Sicht tragbar. Moderne tiermedizinische Standards lassen Zwangsfütterungen nämlich nur in Einzelfällen bei medizinischer Indikation zu. Eine vergleichbare Praxis gibt es in der landwirtschaftlichen Tierhaltung auch sonst nicht. Über diesen Aspekt hinaus wird den Tieren auch wesentlich mehr Nahrung zugeführt, als sie jemals freiwillig zu sich nehmen würden. Pro Fütterung wird den Enten und Gänsen bis zu 450 g des Maisbreis verabreicht, nur damit ihre Lebern schnell die maximale Vergrößerung erreichen, die für die Vögel gerade noch nicht tödlich ist. Denn Daten zu zwangsgefütterten Enten (etwa 90 % der Tiere in der Stopfleberproduktion sind Enten) zeigen, dass die Tiere durch diesen Prozess kurz vor einem Leberversagen stehen: Das Institut Technique de l’Aviculture schätzt, dass in den zwei Wochen vor der Schlachtung die Wahrscheinlichkeit zu sterben bei zwangsgemästete Enten bis zu 25 Mal höher (2 bis 5 %) liegt als bei nicht zwangsgemästeten Enten (etwa 0,2 %).
Was für einen Einfluss würde es haben, ein Höchstgewicht für Lebern festzulegen?
Eine solche Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen würde dazu führen, dass die heute übliche Gewichts- und daraus folgende Leidmaximierung – weit über das gesetzlich festgelegte Mindestgewicht hinaus – unterbunden wird. Denn momentan wird, wie so oft, die Gewinnmaximierung der Stopfleberindustrie auf Kosten der Enten und Gänse über eben genau diese Gewichtsmaximierung ihrer Lebern mittels Zwangsfütterung erreicht. Eine wirksame Unterbindung dieser Maximierung würde die Zwangsfütterung unwirtschaftlich machen und so effektiv das Aus für diese heute gängige Art der Produktion bedeuten.
Was für einen Vorteil bringt ein Höchstgewicht gegenüber einem Verbot?
Auch wenn es grundsätzlich ein effektives Mittel sein sollte, eine Praxis zu verbieten, zeigt die Erfahrung, dass das nicht unmittelbar stimmt – vor allem in Bezug auf Tierschutzgesetze. So wurde das Verbot der Kastration von Ferkeln ohne Narkose bereits 2013 in das Tierschutzgesetz aufgenommen. Doch es sollte noch über 7 Jahre dauern, bis das Verbot in Kraft getreten ist und währenddessen mussten pro Jahr noch über 20 Millionen Ferkel eine betäubungslose Kastration über sich ergehen lassen. Ähnliches gilt für das Schreddern männlicher Hühnerküken in der Eiproduktion – diese Praktik wurde zum 1. Januar 2022 verboten, doch aufgrund noch nicht verfügbarer Alternativlösungen bleiben die konkrete Umsetzung und die Auswirkungen des Verbots, und damit das Schicksal der Küken, derzeit noch ungewiss.
„Eine Vision ohne Strategie bleibt eine Illusion“
Lee Bolman
Das Ziel unserer Kampagne ist klar: Kein Tier soll mehr unter Zwangsfütterung leiden! Ein Verbot hätte gegenüber der von uns gewählten Strategie, ein Höchstgewicht für als Stopfleber verkaufte Lebern einzuführen, zwei Nachteile:
- Erstens besteht die Gefahr, dass ein Verbot eine Übergangsphase zur Folge hat, während der das Leid der betroffenen Tiere uneingeschränkt weitergeht.
- Zweitens zeigt die Erfahrung, dass die Industrie in der Umgehung von Verboten sehr kreativ wird – immerhin wird das aktuell geltende Verbot der Zwangsmast durch eine EU-Richtlinie von 1999 faktisch von fünf EU-Ländern umgangen, wodurch je nach Schätzung 10 bis 70 Millionen Enten und Gänse in der EU weiter unter Zwangsfütterung leiden müssen.
Im Gegensatz dazu setzt die sofortige Festlegung eines Höchstgewichts vermarkteter Lebern direkt bei der Produktion an. Das mag angesichts des offensichtlichen Unrechts der Bedingungen in der Stopfleberproduktion unbefriedigend sein. Doch wenn wir es schaffen, die Zwangsfütterung schlicht unwirtschaftlich zu machen, würden wir die Stopfleberindustrie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Wir können unser Ziel der Abschaffung von Zwangsfütterung am schnellsten und besten erreichen, wenn wir einen Schritt nach dem anderen gehen. Und der erste Schritt bedeutet in diesem Fall, so schnell wie möglich die grausamste heute noch in der Tierhaltungsindustrie eingesetzte Praktik zu beenden. Denn nur so können wir es schaffen, auch den heute unter der Zwangsfütterung leidenden Enten und Gänsen direkt zu helfen. Letztlich bringt uns jeder dieser Schritte unserer Vision näher, eine Welt zu schaffen, in der alle Tiere respektiert und geschützt sind.
Unsere Kampagne zielt darauf ab, die Praxis der Zwangsmast von Enten und Gänsen in der Stopfleberproduktion ein für alle Mal zu beenden. Dazu brauchen wir Ihre Hilfe! Sofern du unsere Petition zur Abschaffung der Zwangsmast in der EU noch nicht unterzeichnet hast, kannst du dies jetzt über nachfolgenden Link tun.
Bitte unterzeichne unsere Petition und fordere mit uns ein starkes Engagement der deutschen Regierung, sich für eine EU-weite Abschaffung der Zwangsfütterung bei der Stopfleberproduktion einzusetzen.
Solltest du unsere Petition bereits unterzeichnet haben, kannst du uns zusätzlich helfen, indem du sie mit deiner Familie, deinen Freund*innen und in deinem Bekanntenkreis teilst. Vielen Dank!